Schalkes Vereins-Patron Clemens Tönnies ist ein Mann, der sagt, was er denkt. Vor der Saison sagte er im WAZ-Interview: „Unser Anspruch ist, Champions League zu spielen.“ Damals schien das, nach Platz zehn im Vorjahr, sehr hochgegriffen. Jetzt ist der FC Schalke 04 nach einem guten Saisonstart Vierter der Bundesliga und freut sich auf den ersten ganz großen Höhepunkt des Jahres: An diesem Dienstag (20.30 Uhr/Sky) kommen die Bayern in die Arena.
Der Tabellenvierte empfängt den Dritten – auf dem Papier ein Spitzenspiel, auch wenn diese Klassifizierung am fünften Spieltag noch eine begrenzte Aussagekraft hat. Doch Schalke mischt, wie von Tönnies gewünscht, wieder oben mit, und es stellt sich die Frage: Wie viel Spitze steckt eigentlich schon in dem neuen Schalker Team? Schalkes Kader ist, bei allem Respekt, in dieser Saison nicht dafür ausgelegt, mit den Bayern oder auch Dortmund in Konkurrenz zu treten. Auf einigen Positionen gibt es herausragende Könner: Allen voran Leon Goretzka, nach dem sich andere Vereine die Finger lecken, und auch Ralf Fährmann zählt im Tor zu den Besten der Liga. An einem guten Tag kann auch Nabil Bentaleb den Unterschied machen, ansonsten gibt es viel Solides (Naldo, Nastasic, Burgstaller) oder Talentiertes (Kehrer, Harit, Embolo, wenn er wieder in Form kommt).
Aber es gibt halt auch Schwachstellen auf den Außenbahnen im Mittelfeld und in der Tiefe hat der Kader bei weitem nicht die Klasse anderer Spitzenklubs. Doch das ist so einkalkuliert in einem Jahr ohne Extraschichten im Europapokal. Sichtbar wird das auch an den Gehaltskosten für die Spieler (48 Millionen Euro in dieser Saison plus Erfolgsprämien), wo Schalke nur noch im Mittelfeld der Liga liegt. Schalke muss also andere Mittel mobilisieren, um ein Spitzenteam zu sein.
Taktische Flexibilität zum Beispiel, und in diesem Punkt liegt Schalke bisher vorne. Trainer Domenico Tedesco hat immer mehrere Pläne parat, mit denen er den Gegner bearbeiten will – wenn ein Plan nicht greift, stellt er auf den nächsten um. So war’s beim ersten Heimsieg gegen Leipzig (2:0), und auch im zweiten Heimspiel gegen Stuttgart griff er mehrfach von außen ein – nach zwischenzeitlichen Irritationen am Ende mit dem Erfolg des 3:1-Sieges. Und zuletzt beim 2:1 in Bremen spielte er in der Schlussphase mit drei Mittelstürmern. Auch für den nächsten Gegner hat Tedesco wieder etwas ausgetüftelt – völlig egal, ob dies die Bayern oder wer auch immer sind: „Die Sachen, die wir gut machen, möchten wir gegen jeden Gegner gut machen.“
Schalkes Abwehrarbeit ist laut Tedesco da bereits spitze. Auf die Frage der WAZ, in welchen Bereichen Schalke schon bereit ist für ein Spitzenspiel gegen Bayern, nennt der Trainer das „gute Verteidigen“. Die Spieler wüssten, wie sie etwa einen gegnerischen Doppelpass unterbinden könnten, und durch dieses gute Defensivspiel kommt Schalke zu vielen Ballgewinnen. In fünf Pflichtspielen inklusive DFB-Pokal gab es nur drei Gegentore, auch in den Testspielen vor der Saison kassierte Schalke nur einmal (beim 3:2 gegen Besiktas Istanbul) mehr als ein Tor.
Die Stabilität eines Spitzenteams? „Seit wir im Juli hier zusammen angefangen haben, haben wir nur ein Spiel verloren – und das hätten wir nicht verlieren müssen“, verdeutlicht Manager Christian Heidel. Er spielt damit auf die 0:1-Niederlage am zweiten Bundesliga-Spieltag in Hannover an, als weder taktische Umstellungen noch fehlerfreie Abwehrarbeit gelangen. Das Offensivspiel ist hingegen noch zu oft zu berechenbar: Hier hilft aber die neue Stärke bei Standardsituationen – dadurch fielen fünf der sieben Schalker Tore.
Was aber auffällt: Schalke hat, im Gegensatz zum Vorjahr, bisher auch das nötige Spielglück (schnelle Tore gegen Stuttgart, schneller Ausgleich durch ein Eigentor nach dem Rückstand in Bremen). Auch das ist eine Qualität, die erfolgreiche Mannschaften auszeichnet – vielleicht ja sogar jetzt gegen die Bayern...